Flucht und Aufenthalt: Beschluss der Falken

Wir Falken kritisieren den Terror und das Elend der restlos kapitalisierten Welt. Wir treten ein für bessere Bedingungen für junge Geflüchtete! Beschluss der Bundesausschuss-Sitzung im Herbst 2015.

Das Kapital und die Staaten haben die Welt zu einem Ort gemacht, an dem es sich in vielen Regionen nicht mehr aushalten lässt. Elend, Not, (Bürger-)Kriege, die Verfolgung durch Banden und staatliche Institutionen haben Millionen die Flucht ergreifen lassen. 2014 waren fast 60 Millionen Menschen auf der Flucht, in diesem Jahr werden es voraussichtlich noch mehr sein. Nur für wenige ist die riskante und teure Flucht in die Zentren der restlos kapitalisierten Welt eine Option. Von den wenigen, die sie antreten, erreichen nur manche ihr Ziel – den Rest kostet die Flucht das Leben. Noch in der Zerrissenheit einer Welt, in der Unzählige in der Peripherie von einem Leben in den mit imperialer Macht ausgestatteten Staaten der kapitalistischen Zentren nur träumen können, drückt sich die Einheit des Weltmarktes aus. Die Länder der Peripherie sind nicht zu wenig „entwickelt“, „unterkapitalisiert“, ausreichend in den Weltmarkt eingebunden oder einfach Territorien gescheiterter Staaten. Das in ihnen, für einen großen Teil der Bevölkerung, herrschende ökonomische Elend, die Herrschaft der Banden und deren militärischen Auseinandersetzungen, sind das Gegenstück des Erfolgs des europäischen und US-amerikanischen Kapitals, der Bundesrepublik, der EU und der USA. Wir leben längst in einer Welt, d.h. auch, dass eine Kritik unseres Lebens und dessen Elends, zugleich eine Kritik am Elend weiter Teile der Bevölkerung an der Peripherie sein muss.

In der gegenwärtigen Berichterstattung der Medien hingegen wird einerseits über die organisatorischen und finanziellen Probleme berichtet, vor die die steigende Zahl der Asylbewerber*innen Politik und Verwaltung stellen. Andererseits wird über den rassistischen Mob geschrieben und gesprochen, der vor Unterkünften demonstriert und sie angreift und über die Brandstifter*innen, die diese Unterkünfte anzünden. Das eine Mal gelten die Geflüchteten als ein Problem für die bundesdeutsche Gesellschaft, das andere Mal der rassistische Mob. In Wirklichkeit sind Mob und Institutionen, auf verschiedene Art, ein Problem für die Menschen, die hierher fliehen und diejenigen, die hier bereits leben. Es sind die gleichen Politiker*innen, die auf die Abschottung der Festung Europa drängen, die anschließend die Folgen ihrer Politik für die Geflüchteten, die im Mittelmeer ertrinken und in LKWs ersticken medienwirksam bedauern. Sie organisieren jene Konkurrenz und jenes Elend, das der rassistische Mob zum Vorwand für die Terrorisierung derjenigen macht, die es bis nach Deutschland schaffen. Ein Terror übrigens, indem sich der Mob selbst um das Ende von Konkurrenz und Elend betrügt – der Terror der Ökonomie, die Konkurrenz, der Druck, die Angst und das Elend der Politik, die niedrigen Hartz4 Sätze und Renten, der bauliche Zustand der Kindergärten und Schulen und der Mangel an Lehrkräften und Fachpersonal in den Kitas werden weder durch rassistische Gewalt, noch durch Abschiebungen verbessert, weil die Anwesenheit von Nicht-Deutschen nicht die Ursache der deutschen Zustände ist.

So sehr wir die Versuche von Engagierten aus Zivilgesellschaft und Kommune befürworten, Geflüchteten hier und heute zu helfen und ihre Situation zumindest erträglich zu machen und so sehr wir dieses Engagement als Verband unterstützen, so sehr befürworten wir die Aktionen gegen den rassistischen Mob und zum Schutz der Geflüchteten. Gleichzeitig erinnern wir daran, dass nicht der Mob die Festung Europa gebaut hat und unterhält, sondern, dass es diese Verhältnisse und ihre Verwalter*innen waren und sind. Es ist zynisch, dass noch die Solidarität mit den Flüchteten den Medien und vielen Engagierten zur nationalistischen Werbung für ein Land wird, das Teil an dem Elend hat, dessen Folgen die Solidarität zu lindern sucht. Ein Ende dieses Elends hier und überall ist nur mit einem Ende dieser Verhältnisse und einer weltweit anderen Gesellschaft zu haben. Wir werden unseren Teil dazu tun, zur Verbesserung der Situation hier und heute, wie auch zum Rest.“

Zur Verbesserung der Situation hier und heute hat der Verband folgende Resolution zur kommenden Versammlung des DBJR eingereicht, die er auf Beschluss des Bundesauschusses im Wortlaut aufrecht erhält. Hier sind alle einfach junge Menschen – gleiche Lebensbedingungen und -Chancen für alle Kinder, Jugendlichen und jungen Volljährigen!

„Fard: War gut im Kindergarten? Niklas: Ja. Fard: Sind da auch Ausländer? Niklas: Nein da sind Kinder.“ (HipHop.de Interview mit Rapper Fard und Niklas (4))

Erschrocken stellen wir fest, dass in der öffentlichen Debatte geflohene ausländische Kinder und Jugendliche vor allem als Ausländer wahrgenommen werden. Dies befeuert eine Diskussion, in der Menschen und deren Anwesenheit – vor allem in den Kommunen – als durch effizientes Verwaltungshandeln zu lösendes oder sogar unlösbares Problem gesehen werden. Gleichzeitig werden trotz eines Bekenntnisses der Jugendhilfe zu Rechten, die für alle Kinder und Jugendlichen gelten, diese Rechte immer wieder unterlaufen. Immer deutlicher sind außerdem Töne zu hören, die Qualitätsstandards, die praktisch kaum durchgesetzt sind, auch auf dem Papier außer Kraft setzen oder gleich die Rechte von ausländischen Kindern und Jugendlichen beschneiden wollen. Zuletzt hatte der Erfurter Oberbürgermeister Andreas Bausewein mit dem Vorschlag für Aufsehen gesorgt, u.a. die Schulpflicht für Kinder auszusetzen, bis deren Aufenthaltsstatus geklärt sei. Dabei dauert es schon jetzt zwischen drei (Thüringen) und sechs Monaten (Baden-Württemberg), bis geflohene Kinder schulpflichtig werden. Mit dem Vorschlag ist die Diskussion über die Entrechtung von Kindern und Jugendlichen eröffnet. Der Deutsche Bundesjugendring und seine Mitgliedsorganisationen lehnen eine solche Einschränkung der Rechte von Kindern und Jugendlichen ab. Das Recht auf Bildung und alle anderen Kinderrechte sind die Rechte aller Kinder, unabhängig von Staatsangehörigkeit und Aufenthaltsstatus. Vor diesem Hintergrund verurteilen wir auch den Versuch verschiedene Forderungen – etwa nach der angemessenen Bezahlung von Erzieher*innen und die Versorgung von Geflüchteten – gegeneinander auszuspielen. Kinder, Jugendliche und junge Volljährige, gleich welcher Herkunft, sind in erster Linie eins: junge Menschen. Als junge Menschen lehnen wir deren Ausgrenzung und Diskriminierung ab und fordern gleiche Rechte für alle jungen Menschen. Dies beinhaltet auch die Verbesserung der rechtlichen Situation von ausländischen Kindern und Jugendlichen. Wir weisen darüber hinaus auf die Verantwortung der deutschen Politik für die Zustände in anderen Ländern und die Fluchtursachen hin, auch die deutsche Rüstungs-, Außen- und Wirtschaftspolitik trägt zur Destabilisierung der Verhältnisse und zur Verarmung weiter Teile der Welt bei. Deshalb fordern wir u.a.

  • Die Anhebung des medizinischen Versorgungsniveaus nach AsylbLG auf das Niveau der gesetzlichen Krankenkassen, die Schaffung von einfachen und unbürokratischen Zugängen zu dieser medizinischen Versorgung.
  • Die Anhebung des Rechts auf Schulbesuch für ausländische Kinder und Jugendliche ohne anerkannte (Berufs-)Ausbildung auf das 25. Lebensjahr.
  • Die Erstellung eines Maßnahmenkatalogs zur Integration von geflüchteten Kindern und Jugendlichen in die Schulen, der eine gezielte Förderung dieser Kinder und Jugendlichen möglich macht durch die Kultusministerkonferenz (u.a. sollte dieser Plan die Einrichtung von Lern- und Begegnungshäuser mit Freizeitangeboten umfassen, die Möglichkeiten zur individuellen Förderung und Begleitung nach der Schule bieten, wie etwa im „angekommen“ Konzept der Walter Blüchert Stiftung vorgesehen).
  • Die Möglichkeit für alle Kinder und Jugendlichen, gleich welcher Herkunft, eine Ausbildung zu machen oder – bei entsprechender Qualifikation – zu studieren. Das bedeutet auch die Öffnung des Bafög-Systems für alle die Leistungen nach AsylbLG beziehen und einen staatlich nicht reglementierten Zugang zu Ausbildungsplätzen.
  • Das Recht auf politische und gewerkschaftliche Organisation für alle ausländischen Kinder und Jugendlichen. Die Unterstützung und Verbesserung von Möglichkeiten zur Selbstorganisation junger Geflüchteter sowie deren finanzielle Förderung sind wesentliche Voraussetzungen, um tatsächlich in einer anderen Gesellschaft „anzukommen“. Denn nur wer für seine Interessen selbstbewusst eintreten kann, kann etwas an seinen Ausbildungs- und Arbeits- und Lebensbedingungen ändern.
  • Die Erteilung einer sicheren Aufenthaltsgenehmigung für alle ausländischen Kinder und Jugendlichen, die eine Schule oder Hochschule besuchen oder eine Ausbildung machen.
    • Die Erteilung des Titels Daueraufenthalt-EU bei Abschluss einer Ausbildung oder eines Studiums in Deutschland.

 

Der Bundesverband der SJD – Die Falken stellt den Gliederungen den Antrag digital zur Verfügung und fordert diese auf, diesen in die Landesjugendringe und die kommunalen Jugendringe einzubringen. Er weist in diesem Zusammenhang darauf hin, dass diese Forderungen ergänzt werden können. Etwa um einen Punkt, der eine Steuerung, für die vom Bund den Ländern und Kommunen bereits zugesagten zusätzlichen Mittel, vorschlägt, damit dieses zusätzliche Geld den Geflüchteten zugutekommt und ihre Lebensbedingungen verbessert und nicht nur die Haushalte der Kommunen und Länder entlastet.

Der Bundesverband trägt diese Position außerdem in geeigneter Weise an die Sozialdemokratische Partei Deutschlands, die DGB Jugend sowie die Einzelgewerkschaften des Deutschen Gewerkschaftsbunds und ihre Jugendorganisationen heran, um ähnliche Positionierungen zu initiieren und weitere Kooperationsmöglichkeiten im Sinne des Antrags zu suchen.

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