Bleckede: Mahngang nach Schändung des Jüdischen Friedhofs

Wegweiser am Jüdischen Friedhof bei Bleckede

Wegweiser am Jüdischen Friedhof bei Bleckede

Am gestrigen Sonntag kamen zwischen 200 und 300 Menschen zusammen, um gegen den sich rasch vollziehenden Rechtsruck in der Bundesrepublik und Europa zu demonstrieren. Anlass war die vor Wochen entdeckte Schändung des Jüdischen Friedhofs in Bleckede. In Bleckede sind seit Jahren zunehmende rechte Vorkommnisse zu verzeichnen. So tauchen immer öfter Aufkleber von so genannten „Identitären“ im gesamten Stadtgebiet und darüber auf. Auseinandersetzungen auf den Schulhöfen deuten darauf hin, dass sich hier einige Jugendliche immer stärker rechtsorientierten Kreisen anschließen und unverhohlen dafür werben.

Redebeitrag zu Kurt Löwenstein, Sohn der Stadt Bleckede, jüdischer Sozialist und Vordenker für die Pädagogik der Sozialistischen Jugend-Die Falken

Redebeitrag zu Kurt Löwenstein, Sohn der Stadt Bleckede, jüdischer Sozialist und Vordenker für die Pädagogik der Sozialistischen Jugend-Die Falken

Frieder vom Bleckeder Bündnis für Toleranz präsentierte einen – gerade für uns Falken – sehr bewegenden Redebeitrag zu Bleckede und dem Sozialisten und Pädagogen Kurt Löwenstein, einem Sohn der Stadt, der die Pädagogik unseres Jugendverbands bis heute sehr stark prägt.

Kurt Löwensteins 130. Geburtstag wurde im letzten Jahr mit einer großen Feierlichkeit im Bleckeder Gymnasium gefeiert. Ein Redebeitrag vom Falken Kay Schweigmann-Greve aus Hannover ist auf unseren Seiten hier zu finden: Kurt Löwenstein – Geburtstagsfeier und Vortrag zu seinem 130. Geburtstag

Hier nun das Manuskript des Redebeitrags vom Bleckeder Bündnis für Toleranz vom Mahngang am 10.04.2016 was wir hier ungekürzt wiedergeben wollen:

Liebe Teilnehmerinnen und Teilnehmer

liebe Freundinnen und Freunde,

ich halte hier einen Redebeitrag für das Bleckeder Bündnis für Toleranz.

Wir sind eine Gruppe die sich regelmäßig monatlich trifft. Leute von uns arbeiten ganz aktiv in der direkten Unterstützung von Geflüchteten hier am Ort und der näheren Umgebung, wir beteiligen uns maßgeblich am monatlichen Cafe für und mit Geflüchteten und wir setzen uns aktiv mit den verschiedenen Erscheinungsformen von Neonazismus, Fremdenfeindlichkeit und Rassismus hier am Ort auseinander.

Ich informiere euch heute über Kurt Löwenstein. Kurt Löwenstein ist vielen Bleckederinnen und Bleckedern geläufig.

Kurt Löwenstein ist ein Sohn dieser Stadt. Er wurde hier 1895 in einer jüdischen Familie geboren und ist hier aufgewachsen.

Die hiesige Förderschule ist nach ihm benannt und es gibt die Kurt- Löwenstein-Straße .

Kurt Löwensteins Werdegang führte ihn nach Berlin, wo er als Philosoph, Pädagoge und Reichstagsabgeordneter der SPD tätig war.

Als Jude und Sozialist wurde er von den braunen Machthabern schon vor 33 gehasst, verfolgt und attackiert. Unter dem Eindruck der massiven Repressalien durch die SA ging er letztlich nach Frankreich ins Exil

Bis zu seinem Tode 1939 verfasste er politische und erziehungswissenschaftliche Schriften, die heute noch von aktueller Bedeutung sind. In der Jugendarbeit z.B. der Falken werden seine Auffassungen umgesetzt.

Kurt Löwenstein beschäftigte sich mit universellen Grundvoraussetzungen für ein friedliches Zusammenleben, für Gleichberechtigung und herkunftsunabhängiger sozialer Gleichheit. Die aktuelle Relevanz liegt auf der Hand.

Zitat: „Jedes hungernde, frierende, jedes ausgebeutete Kind ist ein Raub der Bourgeoisie an der Arbeiterklasse.“

In dieser damals in der politischen Arbeiterbewegung gepflegten Sprache verweist er auf den auch heute brennend aktuellen Zusammenhang von Kinderarmut, kapitalistisch angetriebenen Migrationsgründen und der größer werdenden Schere zwischen arm und reich.

In einer offenen, gleichberechtigten Gesellschaft darf es nicht sein, dass Menschen auch hier in Bleckede aufgrund ihrer Herkunft, oder ihrer Glaubenszugehörigkeit bedroht, angepöbelt und ausgeschlossen werden. Es darf nicht sein, dass faschistische Symbole auf Grabsteinen, dass Hakenkreuze und antisemitische Parolen auf Gebäuden hingenommen werden und folgenlos bleiben und geschichtsvergessen banalisiert und relativiert werden. Wie das leider oft genug der Fall ist.

Dieses Verhalten muss gesellschaftliche Ächtung zur Folge haben.

Die Stadt Bleckede sollte erkennen, dass in der Benennung von Rassismus, Antisemitismus und jeder Form gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit die Chance besteht Menschenfeindlichkeit zu überwinden.

Unser Bürgermeister hält jedes Jahr zu den Gedenk- veranstaltungen der Novemberpogrome eine mahnende und bewegende Rede: „Wehret den Anfängen“ .

Nun müssen wir feststellen: Wir sind schon mittendrin.

Wir müssen als Bürgerinnen und Bürger dafür Sorge tragen, dass die Missstände beim Namen genannt werden. Wir müssen dafür sorgen, dass wir in Bleckede ein gesellschaftliches Klima haben, in dem niemand Angst haben muss und befürchten muss wegen seiner Herkunft seines Glaubens oder Aussehens von irgendjemandem beleidigt, angepöbelt oder gar attackiert zu werden.

Dazu brauchen wir ganz viele: die Schulen und Kindergärten   mit ihrem Bildungsauftrag, die Kirchengemeinden, die Menschen in den verschiedenen Parteien und Organisationen und die Stadt.

Heute fangen wir damit gemeinsam an.

Gerade das Leben und die Ideen des jüdischen Sozialisten und Humanisten Kurt Löwenstein stehen dafür.

Vielen Dank für eure Aufmerksamkeit.“

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